Thomas Thieme: Adam trifft Guiskard
Georg Büchner starb 1837 im Alter von nur 23 Jahren und wurde mit seinem naturgemäß schmalen Werk dennoch wegweisend für die deutsche Literatur. In diesem Jahr feiert man allerorten den 200. Geburtstag des „Klassikers“ Büchner, auch in Oldenburg. Im Rahmen dieses Festprogramms trat am vergangenen Samstag der Theater- und Filmschauspieler Thomas Thieme auf. Mit wortgewaltiger Stimme zeichnete er im Kleinen Haus ausschnitthaft die Welten von Woyzeck, Danton und Lenz nach: eine ausdrucksstarke Performance für Menschen aus Fleisch und Blut, nicht für „Marionetten mit himmelblauen Pappnasen und affektiertem Pathos.“ Wie Hiebe prasselten seine Sätze auf das Publikum herab.
"Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet?" Georg Büchner stellte sich diese Frage 1833 erstmals in einem Brief an seine Braut. Später legte er sie in Dantons Tod dem gescheiterten Revolutionär in den Mund. Sie ist Klage und Anklage zugleich - für Woyzeck, die arme, gedemütigte Kreatur, die sich im Eifersuchtswahn um das Liebste bringt, für den gescheiterten Danton, der mit ansehen muss, wie die Revolution ihre Kinder frisst, als auch für den in geistiger Umnachtung endenden Dichter Lenz. Thomas Thieme hat Teile aus den drei Hauptwerken Büchners verdichtet und miteinander zu einer sprachgewaltigen Collage verwoben.
Hommage an Georg Büchner
Mit welch klarer Sprache Büchner über komplexe Themen wie den „ungeheuren Riss durch die Welt“ reflektiert, wird bei Thieme anschaulich. Und ebenso die faszinierende Verschränkung erschütternder Einblicke ins Allgemeingültige mit dem Leiden an speziellen Verhältnissen seiner Zeit. Verhältnissen, unter denen Woyzeck mit schlichtem Gemüt zum irregeleiteten Verbrecher, Robespierre in Dantons Tod im Realitätsverlust der Gewaltherrschaft zum Massenmörder und der Dichter Lenz in der gleichnamigen Novelle zum Verrückten wird. Thieme flüstert, wenn Danton vor der Hinrichtung innehält. Und er brüllt die innere Erregung der geschundenen Kreatur hinaus, als Woyzeck seine Frau in den Armen des Tambourmajors entdeckt und eine entsetzliche Mordlust in sich spürt.
Thomas Thieme war an diesen Abend ein tönendes, stampfendes, flüsterndes, brüllendes, niesendes Gesamtkunstwerk. Ein differenzierter Charakter, der ähnlich wie Büchners Meisterwerke selbst, einem Menschen um den Verstand bringen konnte. Mit seiner gewaltigen Wucht aus Mimik und Sprache stieß er das Publikum geradezu vorwärts in eine beklemmende Welt hinein, die in sich gewandelt glutrot wie die Hölle war: Aus der Schwärze der Worte schälte sich die geschundene Kreatur heraus – albtraumhaft zerfressen vom Spuk des Infernos.
Aber nicht nur Thomas Thieme war an diesem Abend eine gewaltige Wucht sondern auch Arthur Thieme, der den wortgewaltigen Schauspieler musikalisch auf der Bassgitarre begleitete, mit einem Streicherbogen dem modernen Musikinstrument einen rätselhaften Klang entlockte: Manchmal verträumt, manchmal düster. Minutenlanger Applaus war der verdiente Lohn für den glänzenden Abend, wobei die Ovationen des Publikums spürbar von Herzen kamen.
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